Predigt: Lukas 6,17-49 – Teil B)

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Warum sagt Jesus: Liebt eure Feinde?

„Aber ich sage euch, die ihr zuhört: Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen.“

(Lukasevangelium 6,27)

Der heutige Abschnitt handelt von der Predigt Jesu, die auf dem Felde gehalten wurde. Der Adressat seiner Predigt waren jedoch nicht die Menschen aus dem Volk, sondern seine Jünger. Darin forderte er sie auf, ihre Feinde zu lieben. Die Jünger Jesu mussten Ablehnung, Hass und Verachtung ertragen. Nur, weil sie Jesus nachfolgten. Und gerade zu denen rief er nun: Selig seid ihr! Wir wissen nicht, wie sie auf diese Heilszusage reagiert haben. Den Jüngern dürfte es jedoch schwergefallen sein, die Seligpreisung sofort zu akzeptieren. Jesus ermutigte sie daher mit der Verheißung: Euer Lohn ist groß im Himmel. Diese Verheißung befähigte die Jünger dazu, sich trotz widriger Umstände zu freuen und vor Freude in die Luft zu springen, wenn sie gerade wegen ihres Glaubens gehasst oder ausgestoßen wurden.
Denn die auf die Überwindung des Hasses oder der Verachtung folgt ein großer Lohn. Am letzten Sonntag predigte Henoch anhand von Hebräer 12,2, dass Jesus um der vor ihm liegenden Freude willen, das Kreuz erduldete. Jesus tat das alles in freudiger Erwartung auf seinen Lohn. Er wusste, womit sein Kreuzestod belohnt wird. Jeder einzelne von uns ist sein Lohn. Wir sind der Grund seiner Freude.
Wenn Jesus seine Jünger auffordert: „Liebt eure Feinde!“, verheißt er auch: „So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Höchsten sein.“
Heute möchte ich mit euch die Aufforderung Jesu, nämlich die Feindesliebe genauer beleuchten. Aber nicht mit der Frage „WIE?“, sondern mehr mit der Frage „WARUM?“.
Es mag sein, dass die Frage nach dem „WIE“ konkreter und sehr praxisnah erscheint. Doch diese Frage ist oftmals nur eine Sackgasse, die dahin führt, dass wir nur auf erneute Weise daran erinnert werden, dass es nahezu unmöglich ist, die Feinde zu lieben. Und man könnte sogar zu dem Schluss kommen, dass die Feindesliebe unrealistisch ist oder gar eine Zumutung für den Auszuübenden.
Aus diesem Grund werden wir uns mit dem „WARUM“ beschäftigen. Also WARUM sprach Jesus zu seinen Jüngern: „Liebt eure Feinde!“
Die Bezeichnung „Feind“ deutet auf eine zwischenmenschliche Beziehung hin. In der Beziehung von Menschen kann so etwas wie Feindschaft entstehen. Und es ist eigentlich ganz einfach sich Feinde zu machen oder zu bekommen. All jene, die einen hassen, verfluchen oder beleidigen, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit zu seinen Feinden. Auch all jene, die einen schlagen, sein Eigentum wegnehmen oder etwas gegen einen mit böser Absicht tun, gehören bald zu der Kategorie Feind.
Jesus fordert nun von seinen Jüngern: Liebt eure Feinde! Die Feindesliebe heißt, den Feinden Gutes zu tun, sie zu segnen, für sie zu bitten, auf ihre Gewalt nicht wie ein Spiegel zu reagieren und mit Gewalt zu antworten, sondern ihnen zu geben, was sie verlangen. Darüber hinaus sollen die Jünger nicht zurückfordern, was die anderen einem weggenommen haben. Die Forderung gipfelt schlussendlich in die goldene Regel: „Wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!“
Wenn wir die Punkte der praktischen Liebe gegenüber den Feinden aufgezählt bekommen, kann es passieren, dass wir uns dabei unwohl fühlen. Darum kommen wir wieder auf die Frage zurück: Warum Jesus die Forderung: Liebt eure Feinde! – aufstellte. Was war der Zweck seiner Forderung? Eine Antwort findet sich in Vers 35. Jesus wollte, dass seine Jünger zu Kindern Gottes werden. Die Kinder Gottes besitzen die Eigenschaft Gottes. Wie der Vater barmherzig ist, können die Kinder barmherzig sein. Gottes Barmherzigkeit offenbart sich darin, dass er auch den Undankbaren und den Bösen seine Güte zeigt. Oftmals bleibt eine Gegenleistung aus. Feindesliebe nämlich kann erfolglos bleiben. Und dennoch sollen die Kinder Gottes ohne eine Gegenleistung Gutes tun. Diese Form von Selbstaufgabe und Liebe versteht Jesus unter der Feindesliebe.
Bei der Nachfolge Jesu haben die Jünger oft erfahren, wie Jesus von den Pharisäern verleumdet wurde. Sie gebrauchten Gottes Gesetz, um die anderen Menschen zu richten oder zu verdammen. Aber die Jünger Jesu sollen in dieser Sache anders mit den Sündern umgehen. Die Jünger Jesu können das Gericht Gott überlassen. Das Richten ist nicht ihre Aufgabe, sondern Gott allein hat das Recht, zu richten. Ob ein Mensch gerecht oder verdammt wird, weiß Gott allein. Darum sollen die Kinder Gottes nicht seine Position einnehmen. Denn selbst die Kinder Gottes sind nicht unfehlbar und können ein falsches Urteil sprechen. Es ist daher ratsam, die Gleichnisse Jesu zu beherzigen. Ein Blinder kann einen Blinden nicht führen. Alle beide können in die Grube fallen. Bevor man den Splitter aus dem Auge des anderen zieht, muss man selbst einen Balken aus seinem Auge entfernen. Jünger Jesu sollen die Gefahr stets ernst nehmen, dass sie punktuell blind sein können.
Jesus möchte, dass seine Jünger stets das Ziel vor Augen haben – nämlich den Einzug in den Himmel. Doch sie können, wie gerade eben angesprochen, in die Grube fallen. Man kann nämlich, statt die Feinde zu lieben, von Hass und Bitterkeit verblendet sein. In so einem Fall wäre man geistlich blind. Und ähnlich wie in dem Jesuswort vom Splitter im Auge des Bruders, kann es passieren, dass man jede Kleinigkeit der anderen scharf und kritisch beäugt, während man die eigene große Sünde komplett übersieht. So wird man zu einem Heuchler. Und davor warnt Jesus seine Jünger.

Jesus schließt seine Predigt auf dem Felde mit zwei Gleichnissen.
Im ersten Gleichnis spricht Jesus von zwei Bäumen, von einem guten Baum und einem faulen Baum. Ein guter Baum trägt gute Frucht, während ein fauler Baum bloß faule Frucht trägt. An seiner eigenen Frucht wird jeder Baum erkannt.
Auch ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus seinem Herzen. Ein böser Mensch hingegen erschafft aus Bösem nur Böses. Wovon das Herz erfüllt ist, das spricht der Mund aus. Bevor der Tag kommt, an dem sichtbar wird, ob jemand Gottes Kind ist oder nicht, lässt sich das schon an der jetzt sichtbaren Frucht erkennen. Nämlich die Frucht der Feindesliebe: Sie können den anderen vergeben und die Feinde lieben. Anstatt die anderen zu richten oder zu verdammen, halten sie Fürbitte für ihre Feinde. Genau wie Jesus einst für seine Feinde bat: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“.
Gottes Kinder sind in der Lage, den anderen zu vergeben. Trotzdem fordert Jesus seine Jünger im zweiten Gleichnis auf, zu den Menschen zu werden, die sein Wort nicht nur hören, sondern auch tun.
Es gibt zwei Menschen, die auf unterschiedliche Weise ihr Haus bauen. Einer baut sein Haus auf dem Fels. Ein anderer baut es auf Erde. Das Haus, welches auf dem Felsen gebaut wurde, kann weder erschüttert noch zum Einsturz gebracht werden. Wer Jesu Wort hört und tut, gleicht einem Menschen, der sein Haus auf dem Felsen baut. Wer aber sein Wort hört und nicht tut, gleicht einem Menschen, der sein Haus auf die Erde baut. Ein Haus muss ein tiefes und festes Fundament vorweisen können, um den Wasserfluten standhalten zu können.
Durch dieses Gleichnis lehrt Jesus, dass die Zeit der Probe wie eine Wasserflut kommen wird. Diese Zeit kann heute schon eintreffen oder aber auch morgen. Jeder wünscht sich, gesund, ohne Unfall, ein sicheres Leben zu führen. Aber das Leben verläuft nicht immer in geraden Bahnen, bestimmte Situationen oder Probleme können uns wie eine Flut die Lebensgrundlage wegspülen. Die Zeit kann kommen, in der wir von Feinden gehasst, verleumdet und geschlagen werden. Lasst uns daher Gottes Wort nicht nur hören, sondern auch leben. Lasst uns unser Fundament auf dem Felsen legen.

Niemand ist dazu fähig, die Feindesliebe zu praktizieren.
Corrie ten Boom, die Autorin des Buches „Die Zuflucht“, setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg für die Versöhnung zwischen Opfer und Tätern ein. Sie selbst war im Konzentrationslager. Als sie dann nach dem Ende des Krieges wieder auf den Aufseher aus dem Konzentrationslager stieß, wurde sie direkt mit der Schwierigkeit der Feindesliebe konfrontiert. Sie konnte ihm einfach nicht vergeben. Darum bat sie Gott um seine Vergebung: Vater, vergib mir, dass ich ihm nicht vergeben kann.

Warum, sagte Jesus: Liebt eure Feinde!
Als Jesus anfing, das Evangelium zu predigen, verkündigte er folgendes: Gott hat mich gesandt, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen. Er will die, die gefangen sind, befreien. Die Tat der Feinde kann die Kinder Gottes komplett in Hass und Bitterkeit gefangen nehmen. Jesus will seine Jünger vor dieser Gefahr schützen. Es ist schmerzhaft, von den Feinden angegriffen zu werden. Aber die Bitterkeit und die Verletzungen sollen die Kinder Gottes nicht vom eigentlichen Ziel abbringen. Das Ziel ist die Freiheit. Das Ziel ist ein Leben in Fülle. Ein Leben mit Gott. Das neue Jerusalem, das vom Himmel herabkommt, ist das Ziel aller Kinder Gottes. Bis jeder dieses Ziel erreicht hat, können viele Dinge auf dem Wege passieren. Vor allem wird die Prüfung Gottes wie eine Wasserflut kommen.
Darum ermutigt Jesus alle, die ihm zuhören und ihm nachfolgen wollen, sein Wort zu hören und danach zu tun. Es mag sein, dass unsere Natur nicht dazu fähig ist, die Feindesliebe zu praktizieren. Aber Jesus verheißt, dass eine große Belohnung auf uns wartet. Somit ermutigt er uns, nicht nur sein Wort zu hören, sondern auch zu tun. Er selbst trug sein Kreuz mit Freuden, weil wir der Grund seiner Freude sind. Wir können auch mit Freude unsere Feinde lieben, weil sie durch unsere Feindesliebe gerettet werden können. Wir können das Ziel vor Augen halten, nämlich eine Belohnung im Himmel.
Auch wenn wir noch auf Erden weilen, ist unser Blick auf das Ziel im Himmel gerichtet. Unser Herr will uns dahin führen, auch wenn wir ständig auf Hindernisse stoßen. Darum ermutigt er uns, auch das stärkste Hindernis zu überwinden. Nämlich unsere Feinde zu lieben. Mit der Seligpreisung „Liebt eure Feinde!“ feuert Jesus gewissermaßen uns alle an, die das Ziel im Himmel vor Augen haben. Das ist die Weisheit des Herrn. Er befreit uns aus dem Gefängnis der Bitterkeit.
Die Zeit der Revolution hat begonnen. Neuen Wein soll man in neue Schläuche füllen.

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