Predigt: Psalm 3 – Gebet

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Morgenlied in schwieriger Zeit

„Aber du, Herr, bist der Schild für mich, du bist meine Ehre und hebst mein Haupt empor.“

(Psalm 3,4)

In unserer Reihe zum Gebet betrachten wir zurzeit verschiedene Psalmen. Dadurch wollen wir Beispiele für Gebete in unterschiedlichen Lebenslagen kennenlernen und Anregungen und Ermutigung für unser eigenes Gebet bekommen. Letzte Woche haben wir Psalm 47 betrachtet; darin wird Gott gepriesen, weil er der König über die ganze Erde ist, und auch wir werden aufgefordert, Gott zu lobsingen. Aber nicht alle Psalmen sind solche Lobpreislieder. Der Psalm 3, den wir heute betrachten, ist vom Inhalt und Charakter her ganz anders. Der Grund dafür ist, dass dieser Psalm in einer Zeit schwerer Not entstanden ist. Bei vielen Psalmen erfahren wir nicht, in welcher Situation sie geschrieben wurden. Aber der Vers 1 sagt: „Ein Psalm Davids, als er vor seinem Sohn Absalom floh.“ David verfasste also diesen Psalm in der Zeit, als sein eigener Sohn versuchte, ihn vom Thron zu stürzen. Lasst uns heute lernen, wie wir in großer Not beten und neues Vertrauen und Frieden in Gott finden können! Die Predigt hat drei Teile: erstens, die Not; zweitens, die Wende; drittens, Anwendungen.

I. Die Not (1-3)

Um dieses Gebet von David richtig verstehen zu können, wollen wir am Anfang den Hintergrund betrachten, auf den uns der Vers 1 hinweist. Das ist möglich, weil diese Ereignisse im 2. Buch Samuel ausführlich beschrieben werden. Es begann eigentlich damit, dass David mit Batseba Ehebruch beging und danach, als sie schwanger wurde, veranlasste, dass ihr Mann an der Front umkam, um seine Sünde zu vertuschen. Gott kündigte ihm durch den Propheten an, dass er Unheil über ihn aus seinem eigenen Haus kommen lassen und seine Frauen vor seinen Augen nehmen und seinem Nächsten geben wollte (2. Sam 12,11). Viele Jahre später passierte es, dass Davids ältester Sohn Amnon seine Halbschwester Tamar vergewaltigte. David wurde darüber sehr zornig; aber er bestrafte Amnon nicht, weil er sein erstgeborener Sohn war (2. Sam 13,1-22). Zwei Jahre später ließ Absalom, Tamars Bruder, Amnon durch seine Knechte töten und floh ins Exil (2. Sam 13,23-37). Drei Jahre später erlaubte ihm David, wieder nach Jerusalem zurückzukommen. Nach zwei weiteren Jahre empfing David ihn wieder und küsste ihn, als Zeichen, dass er ihm vergab und ihn wieder annahm (2. Sam 14).
Aber Absalom erzeigte sich danach gar nicht dankbar, sondern arbeitete zielstrebig darauf hin, selbst an die Macht zu kommen. Er fuhr immer mit einer Kutsche durch die Stadt und ließ dabei fünfzig Männer vor sich hergehen. Er machte sich im Volk durch Versprechen und Schmeicheleien beliebt und schürte bei ihnen eine Unzufriedenheit über seinen Vater. Es heißt: „So stahl Absalom das Herz der Männer Israels.“ (2. Sam 15,6). Nach vier weiteren Jahren ging er unter einem Vorwand nach Hebron und versammelte dort viele Männer, um einen Aufstand gegen seinen Vater zu organisieren (2. Sam 15,7-12). David erfuhr davon und musste aus Jerusalem fliehen. Absalom zog in Jerusalem ein und bezog den Königspalast. Auf dem Dachgarten des Palasts ließ er ein Zelt aufbauen und schlief dort vor den Augen des Volkes mit den Nebenfrauen seines Vaters. Dadurch erfüllte sich das Wort des Propheten Nathan, das er nach Davids Sünde geredet hatte.
Das war die Not, in die David geraten war. Wie muss das für ihn gewesen sein? Er muss zutiefst frustriert und zerknirscht gewesen sein, weil sein eigener Sohn ihn vom Thron jagte und ihn mit Truppen verfolgte. Ein großer Teil des Volks wandte sich von David ab und unterstützte Absaloms Aufstand, obwohl David dem Volk damals schon etwa dreißig Jahre lang gedient hatte. Was für eine tiefe Enttäuschung und was für ein Schmerz muss das für David gewesen sein! Es war wohl die größte Tragödie seines Lebens. Dazu kam noch, dass das Ganze nicht allein die Schuld von Absalom war. Natürlich war es Absaloms Hochmut, seine Undankbarkeit und schwerer Mangel an Respekt und seine Machtgier. Aber David war wohl bewusst, dass er auch eine Mitschuld hatte, da er Amnon damals nicht bestraft hatte. Es war auch eine Folge seiner früheren Sünde des Ehebruchs und des Mords. David war also sowohl äußerlich als auch innerlich in größter Not.
Was machte David in dieser Not? David betete. Betrachten wir Vers 2: „Ach, Herr, wie sind meiner Feinde so viel und erheben sich so viele wider mich!“ David kam mit der Not im Gebet zu Gott. Seine Worte „Ach, Herr …“ sind eine Klage, sie drücken aus, wie belastet er war und wie groß seine ganze Frustration und Sorge waren. Er klagte darüber, dass so viele seiner Leute nun seine Feinde geworden waren und ihn nun bedrohten. David brachte die ganze Misere vor Gott.
Viele Menschen neigen dazu, vor bestimmten Problemen oder Nöten ihre Augen zuzumachen oder die Realität zu beschönigen, weil sie sie nicht ertragen können. Aber Davids sieht der Realität ins Auge und bringt sie im Gebet vor Gott. Sein Gebet ist sehr ehrlich. Er schildert Gott seine Notlage und bringt dabei auch seine Gefühle zum Ausdruck. Er weiß nicht, ob er den Angriff Absaloms überstehen wird. Er brauchte Gottes Hilfe.
An diesem Punkt gab es ein weiteres Problem. Im Vers 3 sagt er: „Viele sagen von mir: Er hat keine Hilfe bei Gott.“ Inmitten seiner Notlage wurde David zusätzlich auch dadurch angefochten, dass viele von ihm behaupteten, dass Gott ihm nicht mehr helfen wolle. Ihre Worte konnten David versuchen, seinen Glauben an Gottes Liebe zu ihm zu verlieren und völlig hilflos zu werden. Viele Gläubige werden in Bedrängnissen durch den Gedanken angefochten, dass Gott sie nicht mehr lieben und ihnen nicht mehr helfen würde. Der Satan flößt ihnen solche Gedanken ein, um ihren Glauben an Gottes Liebe zu beschädigen und zu zerstören. Vielleicht haben auch manche von uns das schon erlebt oder erleben es sogar zurzeit. Dieser Angriff ist das größte und potenziell schwerste Problem überhaupt. Was können wir dann tun? Was tat David in solcher Not? Wir sehen hier, dass David mit der ganzen Not zu Gott gekommen ist und im Gebet alles vor ihn gebracht hat. Er hat sich nicht selbst betrogen und das Problem verharmlost oder klein geredet. Viele versuchen, Probleme kleinzureden oder ihre Augen davor zuzumachen, weil sie selbst keine Lösung dafür haben und hilflos sind. Andere beten nicht, weil sie zu sehr auf sich selbst vertrauen oder auf andere Menschen oder auf die Umstände, die zu einer Verbesserung führen könnten. Beides ist eine Flucht vor der Realität. Aber David schaute der Realität ins Auge und brachte sie zu Gott. Er betete, weil er wusste, dass er sich in dieser Not nicht selbst helfen und sich auch nicht auf andere Menschen verlassen konnte. Deshalb betete er und brachte seine ganze Not zu Gott. Möge Gott auch jedem von uns helfen, in schwierigen Zeiten nicht auf uns selbst zu vertrauen oder unsere Augen vor der Not zuzumachen, sondern sie im Gebet vor Gott zu bringen und seine Hilfe zu suchen!

II. Die Wende (4-9)

Wir haben eben gelernt, dass es besonders in schwierigen Zeiten wichtig ist, dass wir zu Gott kommen. Aber es ist auch wichtig, wie wir das tun. Manche Christen, vielleicht auch einige unter uns, haben schon die Erfahrung gemacht, dass, obwohl sie Gott im Gebet bestimmte Probleme oder Nöte sagen, die sie nicht wirklich an Gott abgeben können und keinen Frieden im Gebet finden, und dass die Probleme auch nicht gelöst werden. Sie haben leicht den Eindruck, dass sie im Gebet nicht weiterkommen und dass ihr Gebet wenig und nichts bringen würde; wodurch sie nach einer Weile entmutigt werden und es ihnen schwerfällt, überhaupt zu beten. Das kann verschiedene Gründe haben. Ein Grund dafür kann sein, dass sie sich im Gebet hauptsächlich mit der Situation beschäftigt und zu wenig mit Gott.

Davids Gebet war anders. Wenn wir unseren Psalm weiterlesen, sehen wir, dass David bei der Schilderung seiner Not nicht stehen blieb. Im Vers 4 betet er weiter: „Aber du, Herr, bist der Schild für mich, du bist meine Ehre und hebst mein Haupt empor.“ Hier finden wir eine Wende in seinem Gebet. David spricht hier nicht mehr über seine Notlage, sondern über Gott. Er schaut nun auf Gott und denkt daran, wer Gott ist und was er für seine Auserwählten tut. Diese veränderte Blickrichtung veränderte auch den Inhalt seines Gebets. Weil er auf Gott schaut, kann er nun seine Situation aus Gottes Sicht betrachten. Deshalb kann er bekennen: „Aber du, Herr, bist der Schild für mich.“ Ihm wird neu bewusst, dass Gott da ist und ihm nicht nur einen gewissen vagen Schutz gibt, sondern dass Gott selbst der Schild ist, der ihn rundherum schützt. Obwohl David wohl wusste, dass er an der ganzen Entwicklung eine Mitschuld hatte, verwickelte er sich nicht in Selbstanklagen und Zweifel, sondern konnte den Glauben an Gottes Liebe zu ihm festhalten, weil er betete und dabei auf Gott schaute.

Als er mit dieser Haltung betete, konnte er auch andere Probleme im Gebet überwinden, wie zum Beispiel die tiefe Demütigung, die er gerade erlebte. Im Vers 4 sagt er weiter: „Du bist meine Ehre und hebst mein Haupt empor.“ Davids Ehre war durch gewaltsamen Aufstand schwer beschädigt. Nach dem Bericht im 2. Buch Samuel wurde David sogar von einem Mann mit Erdbollen und Steinen beworfen, als er aus Jerusalem floh, und vor allen Leuten als Bluthund beschimpft und verflucht. Davids Ehre war wirklich am Boden. Aber als sein Offizier vorschlug, den Mann auf der Stelle zu bestrafen, ließ David es nicht zu, sondern sagte, dass man ihn fluchen lassen sollte, weil Gott ihm geboten hätte, David zu fluchen. Davids Reaktion war überraschend. Durch unseren Psalm können wir verstehen, warum er so reagierte. Davids Ehre war in Gott. Gott selbst war seine Ehre, deshalb waren ihm nur Gottes Ehre und seine Beziehung zu ihm wichtig, und nicht, was die Menschen von ihm dachten. Er wusste, dass sein ganzes Leben in Gottes Hand ist, und er glaubte, dass Gott sein Haupt emporheben würde, auch wenn er momentan am Boden lag.
Wie drückt er weiter seine Zuversicht auf Gott aus? Er betet im Vers 5 weiter: „Ich rufe mit meiner Stimme zum Herrn, so erhört er mich von seinem heiligen Berge.“ David besinnt sich auf seine Erfahrung, dass Gott seine Gebete erhört. Dieser Glaube basierte wohl auf seinen Erfahrungen von vielen Jahren. Akut wusste er nicht, wie der Kampf von Absaloms Truppen gegen ihn ausgehen und ob er wieder nach Jerusalem zurückkehren und als König eingesetzt würde. Aber er hatte Ruhe im Herzen, weil er fest glaubte, dass Gott sein Gebet erhört.
Mit dieser Zuversicht konnte er auch in der Nacht schlafen und morgens erholt aufwachen, obwohl Absaloms Truppen schon bald kommen würden. Er bekannte: „Ich liege und schlafe und erwache; denn der Herr hält mich. Ich fürchte mich nicht vor vielen Tausenden, die sich ringsum wider mich legen“ (6.7). Auch wenn viele Tausend Soldaten ihn umzingeln würden, fürchtete er sich doch nicht vor ihnen, weil er so fest darauf vertraute, dass Gott ihn beschützen würde. Die ganzen Verse 4-7 sind genau genommen eigentlich keine Bitte, sondern sie drücken Davids Vertrauen auf Gott aus. Jemand könnte fragen, was der Sinn von so einem Gebet ist. Aber es hat großen Sinn. Denn wenn wir Gott gerade in einer Not unser Vertrauen neu bekennen, wird Gott dadurch geehrt und unser Glaube wird gestärkt.
David beließ es aber nicht ganz allein bei Bekenntnissen seines Glaubens. Im Vers 8 sagt er: „Auf, Herr, und hilf mir, mein Gott! Denn du schlägst alle meine Feinde auf die Backe und zerschmetterst der Frevler Zähne.“ Hier fordert er Gott direkt zum Handeln auf. Er tut das, weil er in dem bevorstehenden Kampf Gottes Hilfe wirklich braucht. Die Ausdrucksweise im Vers 8 mag manchem vielleicht zu martialisch vorkommen. Wir können David aber verstehen, wenn wir bedenken, dass ihm der Angriff einer ganzen Armee bevorstand, bei dem es um Leben und Tod ging und bei dem er Gottes Beistand unbedingt brauchte.
Wie endet Davids Gebet? Im Vers 9a sagt er: „Bei dem Herrn findet man Hilfe.“ Hier bekennt er nochmal seinen Glauben, und zwar wie eine allgemeine Wahrheit: Bei dem Herrn findet man Hilfe (nach anderer Übersetzung: Rettung). Wer bei Gott Hilfe sucht, der findet bei ihm auch Hilfe und Rettung. Weil das allgemein so ist, ist David sich sicher, dass das auch für ihn in seiner Not gilt.
Im zweiten Teil von Vers 9 betet David schließlich sogar für sein Volk: „Dein Segen komme über dein Volk!“ Was für eine Entwicklung und Steigerung finden wir hier in seinem Gebet! David begann mit einer Klage über seine Not. Danach schaute er auf Gott und bekannte Gott Vers für Vers sein Vertrauen auf ihn. Dieses Gebet macht David so frei von seiner ganzen Frustration, Angst und Sorge, dass er am Schluss Raum hat, an das Volk zu denken und für Gottes Segen für sie zu beten. So konnte er, obwohl er eigentlich selbst in großer Not war, als Hirte für das Volk beten, was Gott sicher gefiel. Er konnte bis zu diesem Punkt kommen, weil er sich in seinem Gebet nicht nur mit seiner Notlage beschäftigte, sondern auf Gott schaute und seinen Glauben an ihn bekannte. Gott nahm sein Gebet gnädig an und fügte es, dass David wenige Tage später wieder als König über ganz Israel nach Jerusalem zurückkehren konnte.

III. Anwendungen für uns

Es ist für uns vielleicht nicht so schwer zu beten, wenn es uns gut geht und wir sichtlich unter Gottes Segen leben. Aber in schwierigen Zeiten fällt es vielen schwer zu beten, obwohl sie da das Gebet eigentlich am meisten nötig hätten. Wenn wir selbst oder ein uns nahestehender Mensch ein ernstes Problem haben, kann es leicht passieren, dass wir uns von dem Problem und von den Gefühlen, die es in uns auslöst, so vereinnahmen lassen, dass es uns schwerfällt, mit Zuversicht dafür zu beten.

Davids Gebet im heutigen Psalm ermutigt uns dazu, auch in unseren Nöten zu Gott zu beten, egal wie groß und unüberwindbar sie auch aussehen mögen. Wir dürfen festhalten, dass Gott auch für uns der Schild ist, der uns schützt, und dass jeder bei ihm Hilfe findet, der sie ernsthaft bei ihm sucht. Dazu können wir folgende Punkte von Davids Gebet lernen:

Zum einen sollen wir im Gebet ehrlich sein. Wir brauchen nicht zu versuchen, die Situation zu beschönigen und Gott und uns selbst etwas vorzumachen. David hat die Situation Gott nüchtern geschildert und ehrlich gesagt, wie es ihm dabei ging. Wir dürfen seinem Beispiel folgen.

Zum andern sollten wir nicht bei der Klage über die Not stehen bleiben. Nachdem David Gott seine Not geschildert hat, schaut er auf Gott und beschäftigt sich mit ihm, mit seinem Wesen, seiner Treue und Macht. Daraufhin konnte er seine Situation aus Gottes Sicht sehen und konnte sein Vertrauen auf Gott festhalten und bekennen.

Es ist auch für uns wichtig, dass wir in unserem Gebet auf Gott schauen lernen. Wir brauchen nicht die ganze Zeit im Gebet Gott unsere Not erklären, da er sie schon kennt. Wir dürfen sie Gott zwar wiederholt sagen, aber wenn sich unser Gebet nur darum dreht, verpassen wir die Gelegenheit, auf Gott zu schauen und zu erkennen, wie er uns helfen will. Deshalb ist es gut, wenn wir uns im Gebet nicht die ganze Zeit mit den Problemen beschäftigen, sondern auch mit Gott und auf ihn schauen. Dann wird unser Gebet immer eine wertvolle, lebendige Gemeinschaft mit Gott sein, und wir werden nie mehr das Gefühl haben, dass es nur eine Pflicht oder gar nutzlos wäre. Vielmehr werden dann gerade auch in schwierigen Zeiten durch unser Gebet geistlich gestärkt und erquickt werden und werden Gottes Hilfe erfahren, wie auch David es tat. Möge Gott jedem von uns helfen, auch in schwierigen Zeiten zu ihm zu beten und möge er jedes Gebet reichlich segnen!

 

 

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